Sophie Scholl, ein Leben für Freiheit und GerechtigkeitSophie Scholl, ein Leben für Freiheit und Gerechtigkeit
On February 18, 1943, 21-year-old Sophie Scholl was arrested at the University of Munich. Together with her brother Hans, she had handed out leaflets calling for resistence against Hitler and the Nazi regime. The siblings were discovered and arrested by the janitor. Agitated by her father’s action, his daughter Hanna deeply sympathizes with the almost same aged student Sophie, whom she barely knew.
21. Februar 1943
Dear Sophie,
It is late at night and, like for four nights, I cannot sleep. My thoughts are around you, Sophie and my father. I wonder whether you are awake now too the cell you are now locked in, seized and taken away by my own father. Since Thursday, I have been ashamed to be his daughter. Tomorrow, on Monday, the 22nd, the trial will take place over you, your brother and your friend Christoph Probst. “A big thing!” says my father, “Freisler comes specially from Berlin on the night train.” I hate my father for his complacency. He has already hung out his Sunday suit to take part in the event. He rather should stay way, ashamed and excruciated by remorse.
But one thing at a time, Sophie. You don’t know me and I only know you indirectly through my friend Ruth. Together with you she participates in Professor Huber’s philosophy seminar. She is impressed by your cleverness and your curiosity and sometimes she tells something about you. That’s how I know you come from Ulm and you qualified as kindergarten teacher before starting your studies. You were an enthusiastic member of the Hitler Youth, in the association of young girls, and as a leader you organized sporting activities and tent camps or bike tours. Nevertheless, as Ruth says, later, when more and more Jewish citizens “disappeared” and Hitler invaded Poland, you turned away from the National Socialist movement.
My name is Hanna, I am 19 years old and the only daughter of the locksmith Jakob Schmid, who has been working as a caretaker at the university since 1926 and is unfortunately a convinced party member. He had been with the SA since 1933, and has been a member of the NSDAP since 1937. At home, too, everything has to meet his expectations. My wish, to continue to go to high school to study after high school like Ruth was not heard. “You will marry,” said my father, “and give the leader a couple of strong sons.” At home, Mama and I had to keep his back free for him, the man, for the important tasks.
These important things are the job and above all the party. Father is a convinced supporter of Hitler, Goebbels and Co. Like them, he doesn’t accept Jews as fellow citizens. He advocates wars as a way of conquering countries and people for Germany. At home he speaks little of politics, for him it’s a man’s thing. Only now and then he complains about a couple of ” muckrakers” who distribute leaflets all over the city. Recently, they even wrote “FREEDOM” or “HITLER MASS MURDERER” in giant letters on the streets and on house walls. I didn’t worry too much, it didn’t concern us.
And then the terrible thing happened on Thursday. Father came home in a good mood and boasted: “Today I rendered a great service to our Leader and for Germany.” And then, in a loud voice, he told us how he had observed from the corner of the atrium in the university, how a stack of sheets was pushed down into the hall from the second floor. “I knew right away: it is them! – ran up and grabbed a young woman by the arm, that was one! Indeed, a woman was one of them!! Next to her stood a young man, her brother, as it turned out. They were called Scholl. “You are under arrest!” I shouted. And indeed, the Gestapo had just waiting to receive them.”
“They were called Scholl”. You cannot imagine how I felt when I heard the name. I haven’t spoken a word to father since Thursday. And when I find some sleep at night, I see leaves floating through the air. Again and again. It never ends. I still don’t know exactly what is on the papers. I suppose they call to break the unjust state, put an end to the oppression of our own people, and the senseless death of hundreds of thousands on the fronts of Europe.
Sophie, how much courage did you have to distribute these flyers with the friends of the “White Rose” at night, the last ones even in broad daylight? My picture of you is that of a cheerful young woman who loves nature and people, who wants to create and preserve. The hate, destruction and death spreading further torments you. A few years ago, as a BDM girl, you still believed in this party.
The trial will start in a few hours. I am convinced that the People’s Court with President Freisler will recognize your motives and take your youth into account. You will be discharged. And then, Sophie, then I want to meet you.
Your friend in spirit,
Hanna
Hanna’s letter never reached the recipient. Sophie Scholl, Hans Scholl and Christoph Probst were found guilty of “incitement to the people” on February 22, 1942 and executed on the same day.
Am 18. Februar 1943 wird die 21-jährige Sophie Scholl in der Universität München verhaftet. Gemeinsam mit ihrem Bruder Hans hatte sie Flugblätter verteilt, die zum Widerstang gegen Hitler und das Nazi-Regime aufriefen. Entdeckt und festgenommen wurden die Geschwister durch den Hausmeister. Verstört durch das rohe Vorgehen des eigenen Vaters empfindet dessen Tochter Hanna tiefes Mitgefühl mit der fast gleichaltrigen, ihr weitgehend unbekannten, Studentin.
21. Februar 1943
Liebe Sophie,
Es ist spät in der Nacht, und wie seit vier Nächten finde ich keinen Schlaf. Meine Gedanken kreisen um Dich, Sophie und um meinen Vater. Ob Du auch wach bist in der Zelle, in der Du jetzt eingeschlossen bist, gepackt und abgeführt von meinem eigenen Vater. Seit Donnerstag schäme ich mich seine Tochter zu sein. Morgen, am Montag, dem 22., wird die Gerichtsverhandlung stattfinden über Dich, Deinen Bruder und Eueren Freund Christoph Probst. „Eine große Sache!“ sagt mein Vater, der Freisler kommt extra mit dem Nachtzug aus Berlin.“ Ich hasse meinen Vater für seine Selbstzufriedenheit. Den Sonntagsanzug hat er schon herausgehängt, um an der Veranstaltung teilzunehmen. Dabei müsste er sich beschämt und geplagt vom bösen Gewissen fernhalten.
Aber der Reihe nach, Sophie. Du kennst mich nicht und ich kenne Dich auch nur indirekt über meine Freundin Ruth. Die besucht mit Dir gemeinsam das Philosophie-Seminar von Professor Huber. Sie ist beeindruckt von Deiner Klugheit und Deiner Wissbegier und manchmal erzählt sie etwas von Dir.
So weiß ich, dass Du aus Ulm kommst und vor Beginn des Studiums eine Ausbildung als Kindergärtnerin gemacht hast. Du seist begeistertes Mitglied der Hitlerjugend gewesen, im Bund junger Mädchen, und habest als Anführerin dort sportliche Aktivitäten geleitet und Zeltlager oder Radtouren organisiert. Dennoch aber, so erzählt Ruth, habest Du Dich später, als immer mehr jüdische Mitbürger „verschwanden“ und Hitler in Polen einmarschierte, von der nationalsozialistischen Bewegung abgewendet.
Ich selbst heiße Hanna , bin 19 Jahre alt und die einzige Tochter des Schlossers Jakob Schmid, der seit 1926 als Hausmeister an der Universität arbeitet und leider ein überzeugter Parteigenosse ist. Schon seit 1933 war er bei der SA, seit 1937 ist er MItglied der NSDAP. Auch zu Hause muss alles seinen Vorstellungen entsprechen. Mein Wunsch, wie Ruth weiter das Gymnasium zu besuchen, um nach dem Abitur zu studieren, wurde nicht gehört. „Du heiratest“, so mein Vater, „und schenkst dem Führer ein paar kräftige Söhne.“ , Daheim mussten Mama und ich ihm, dem Mann, den Rücken frei halten’ für die wichtigen Aufgaben.
Diese wichtigen Dinge sind der Beruf und allem voran die Partei. Der Vater ist überzeugter Anhänger von Hitler, Goebbels und Co. Gleich ihnen lehnt er Juden als Mitbürger ab. Kriege befürwortet er als Weg, Länder und Menschen für Deutschland zu erobern. Zu Hause spricht der wenig von Politik, sie ist für ihn Männersache. Nur ab und zu schimpft über ein paar ‚Schmierfinken’, die in der ganzen Stadt Flugblätter verteilen. Vor kurzem hätten sie sogar auf die Straßen und an Häuserwände in Riesenbuchstaben „FREIHEIT“ geschreiben oder „ HITLER MASSENMÖRDER“. Ich machte mir nicht zu viele Gedanken, es betraf uns ja nicht.
Und dann geschah am Donnerstag das Schreckliche. Der Vater kam in bester Stimmung nach Hause, und prahlte: Heute habe ich eine große Tat vollbracht für den Führer und auch für Deutschland. Und dann erzählte er mit überlauter Stimme, wie er am Rande des Lichthofs in der Uni beobachtet habe, wie vom zweiten Stockwerk aus ein Stapel Blätter in die Halle hinuntergestoßen wurde. „Ich wusste sofort: die Schmierfinken! – Hinaufgerannt und eine junge Frau am Arm gepackt war eins! Tatsächlich, ein Weib gehörte dazu!! Daneben stand ein junger Mann, ihr Bruder, wie sich herausstellte. Scholl hießen die. „Sie sind verhaftet!“ schrie ich. Und in der Tat, die Gestapo hatte nur darauf gewartet sie in Empfang zu nehmen.
„Scholl hießen die“. Du kannst Dir nicht vorstellen, wie mir bei dem Namen zumute war. Mit Vater habe ich seit Donnerstag kein Wort mehr gesprochen .Und wenn ich nachts kurzen Schlaf finde, sehe ich weiße Blätter durch die Luftschweben. Immer wieder. Es hört nie auf. Noch weiß ich nicht genau, was auf den Papieren steht. Ich nehme an, es sind Aufforderungen, den Unrechtsstaat zu zerschlagen, ein Ende zu setzen der Unterdrückung des eigenen Volkes, und dem sinnlosen Tod Hunderttausender an den Fronten Europas.
Sophie, wieviel Mut hast du aufgebracht, um mit den Freunden von der „Weißen Rose“ bei Nacht und Nebel diese Blätter zu verteilen, die letzten sogar am helllichten Tag. Mein Bild von Dir ist das einer lebensfrohen jungen Frau , die die Natur und die Menschen liebt, die schaffen und bewahren will. Das Hass, Zerstörung und Tod immer weiter um sich greifen, quält Dich. Dabei hattest Du vor ein paar Jahren als BDM- Mädel noch fest an diese Partei geglaubt.
In ein paar Stunden beginnt die Verhandlung. Ich bin überzeugt, der Volksgerichthof mit Präsident Freisler wird Deine Motive erkennen, Deine Jugend berücksichtigen. Man wird Dich freisprechen. Und dann, Sophie, dann möchte ich Dir begegnen.
Im Geiste Deine Freundin
Hanna
Hannas Brief erreichte die Empfängerin nie. Sophie Scholl, Hans Scholl und Christoph Probst wurden am 22. Februar 1942 „wegen Volksverhetzung“ schuldig gesprochen und noch am selben Tag hingerichtet.